Der Blaue Engel ist ein bundesweit bekanntes Zeichen für umweltbewusste und nachhaltige Produkte. Man findet ihn auf Elektrogeräten, Papierwaren und Reinigungsmitteln. Sogar CarSharing und Schiffsdesign können mit dem Blauen Engel ausgezeichnet werden.
Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik beschränkte sich dies bisher auf die Hardware wie Computer, Tastaturen und Drucker. Seit 2019 können immerhin bereits gesamte Rechenzentren ausgezeichnet werden.
Seit Januar 2020 existieren nun die Vergabekriterien des Blauen Engels für Ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte. In diesem Artikel möchte ich das neue Umweltzeichen DE-UZ 215, so die offizielle Kennnummer, kurz und bündig vorstellen.
Geltungsbereich
Derzeit ist der Blaue Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte noch auf Desktopanwendungen beschränkt. Für diese Art der Anwendungen, die nur lokal auf einem Gerät verwendet werden, ist die Erarbeitung von Kriterien vergleichsweise einfach. Dennoch gibt es in dem Bereich Pläne zur Konkretisierung der Vorgaben. So wird überlegt in einer zukünftigen Version der Vergabekriterien für Desktopanwendungen zu erfüllende Mindestanforderungen und standardisierte Nutzungsszenarien je Produktgruppe aufzunehmen.
Zudem wächst die Anzahl der Anwendungen, die über Webservices mit einer Serveranwendung kommunizieren rapide an. Daher ist es geplant in den nächsten Jahren die Vergabekriterien auf Server-Client- sowie mobile Anwendungen zu erweitern.
Anforderungen an nachhaltige Software
Die Anforderungen um Software als nachhaltig kennzeichnen zu lassen und somit mit dem Blauen Engel versehen zu dürfen, teilen sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in drei Bereiche auf:
- Ressourcen- und Energieeffizienz
- Potenzielle Hardware-Nutzungsdauer
- Nutzungsautonomie
Darunter Punkte wie Hardware-Auslastung im Leerlauf und bei Ausführung eines Standardnutzungsszenarios (Ressourcen- und Energieeffizienz), Abwärtskompatibilität (Hardware-Nutzungsdauer) sowie Transparenz des Softwareprodukts, Deinstallierbarkeit und Offlinefähigkeit (Nutzungsautonomie). Detailliert möchte ich auf die einzelnen Punkte nicht eingehen und verweise dazu auf das Dokument der Vergabekriterien.
Alle Anforderungen zusammen unterstützen die Ziele nachhaltige Software bereitzustellen. Mit dem Blauen Engel ausgezeichnete Software wird nachweislich effizient die Hardwareressourcen (Speicher, CPU) nutzen und (im Idealfall) so wenig Energie verbrauchen, wie es für den Nutzen der Software notwendig ist.
Die Vergabekriterien zielen zudem eindeutig auf eine lange Nutzungsdauer der zugrundeliegenden Hardware ab und somit auf das Verhindern von Obsoleszenz durch Software. Dies wird schon allein daran deutlich, dass der Punkt der Nutzungsautonomie die meisten Kriterien beinhaltet.
Messung und Prüfung der Kriterien
Um die Einhaltung der Kriterien von Softwareprodukten überprüfen zu können, müssen je Softwareprodukt sogenannte Standardnutzungsszenarien erstellt werden. Für eine Textverarbeitung ist beispielhaft ein Szenario aufgeführt:
- gesamten Text bearbeiten
- Inhaltsverzeichnis einfügen & aktualisieren
- Ansicht anpassen
- Inhalte hinzufügen & bearbeiten
- PDF erzeugen
- Speichern
Während des Durchführens dieser Arbeitsschritte werden Ressourcen- und Energieverbrauch gemessen. Anhand dieser Messungen wird die Einhaltung der Kriterien zur Ressourcen- und Energieeffizienz überprüft. Um die Softwareprodukte vergleichen und objektiv bewerten zu können, müssen diese Messungen stets auf den gleichen Hardware-Systemen ausgeführt werden. Hierzu werden im Anhang der Vergabekriterien für die letzten fünf Jahre (2015 bis 2019) Referenzsysteme angegeben.
Persönliches Fazit
Ich habe mich sehr gefreut, als ich davon las, dass Kriterien zur Vergabe des Blauen Engels für Softwareprodukte erarbeitet werden bzw. wurden. Denn zu der Zeit, Ende 2019, lagen die Vergabekriterien bereits im Entwurf vor.
Der Blaue Engel ist, wie ich zu Beginn des Artikels bereits festhielt, das Zeichen für Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein in Deutschland. Wenn in Zukunft Software damit ausgezeichnet wird, kann das nur positiven Einfluss auf eine ökologische Digitalisierung haben. Dieser Einfluss wird zunächst sehr klein sein, da sich ein Großteil der Nutzer über die Umweltwirkungen von Software nicht bewusst sind. Doch glaube ich, dass besonders bei den Jüngeren (Stichwort Fridays for Future) dieses Bewusstsein immer mehr wächst und eine ökologische Digitalisierung mehr in den Fokus rückt.
Bevor der Nutzer und Kunde den Blauen Engel bei Software als Kaufargument heranziehen kann, müssen jedoch zunächst einmal überhaupt Programme das Umweltzeichen beantragen und den Prüfprozess erfolgreich meistern. Das sehe ich derzeit als die höchste Hürde an. Denn dazu muss die Existenz des Blauen Engels für Softwareprodukte bei Softwareanbietern bekannt sein.
Hallo Markus,
vielen Dank für den Artikel.
Schon lange mache ich mir Gedanken, wie man Software vernünftig bzgl Ressourcen- und Energieverbrauch bewerten kann. Der Ansatz vergleichender Bewertung, den man auch beim Blauen Umweltengel geht, hat aus meiner Sicht den entscheidenden Nachteil, dass es etwas geben muss was man vergleichen kann. Beim einfachen Szenario der Textverarbeitung mag das funktionieren, aber darüber hinaus sind Software-Produkte doch häufig sehr unterschiedlich und Hersteller versuchen gerade mit „Alleinstellungsmerkmalen“ sich von anderer Software abzusetzen. An der Stelle scheitert der Ansatz vergleichender Bewertung dann leider relativ schnell, finde ich.
Hallo Stefan, danke für dein Feedback.
Das ist tatsächlich schwierig und ich bin gespannt, wie dies in der Praxis aussehen wird. Und welche Art von Produkten den Blauen Engel bekommen.
Ich schaue, wenn ich mehr Zeit finde, einmal bei den Partnern, die die Kriterien mit entwickelt haben, ob dort vielleicht noch weitere Informationen vorliegen.